Eingruppierungen, neue Tätigkeiten, mehr Attraktivität – was die IGBCE in den Verhandlungen mit dem Arbeitgeberverband beim Bundesentgelttarifvertrag ändern will.
Der Bundesentgelttarifvertrag für die Chemieindustrie ist ein Herzstück des IGBCE-Tarifwerks. Und er bedarf dringend der Überarbeitung. Denn er ist in Teilen nicht mehr praxisgerecht und sorgt inzwischen für Ungerechtigkeiten im System.
Die IGBCE hat deshalb einen Acht-Punkte-Plan für mehr Fairness, bessere Aufstiegschancen und weniger Bürokratie entwickelt, den sie in die diesjährigen Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern einbringen wird. „Hier können die Arbeitgeber mal beweisen, dass sie Bürokratieabbau nicht nur in Sonntagsreden einfordern, sondern selbst vorantreiben können“, sagt IGBCE-Tarifvorstand Oliver Heinrich.
Hier sieht die IGBCE den größten Veränderungsbedarf:
Neue Ausbildungs- und Qualifizierungswege berücksichtigen
Die IGBCE fordert, dass die veränderten Tätigkeiten, Anforderungen und Qualifikationen im Entgeltgruppenkatalog berücksichtig werden müssen. Denn Bundesentgelttarifvertrag und Entgeltgruppenkatalog stammen aus dem Jahr 1987, kennen also zum Beispiel noch nicht mal Bachelor- und Masterabschlüsse. Diese müssen nach Meinung der IGBCE dringend mit aufgenommen werden. Gleiches gilt für die Tätigkeiten der Werkfeuerwehr. Berufsbezeichnungen, die es so nicht mehr gibt oder die sich geändert haben, müssen angepasst oder gestrichen werden. Dazu gehören die Berufsbezeichnungen Chemiebetriebswerker*in, Chemielaborwerker*in, Elektroanlageninstallateur*in, Industrieelektriker*in, Teilezeichner*in, Handelsfachpacker*in und Prozessleitelektroniker*in.
Entgeltstufen für untere Entgeltgruppen einführen
In den unteren Entgeltgruppen E1 bis E5 gibt es zu wenig Entwicklungsmöglichkeiten nach oben. Wer in einer der Gruppen eingruppiert ist, bleibt dort auch – es sei denn, der Arbeitgeber hat ein Einsehen. Die IGBCE findet: Das muss sich ändern. Leistung und Erfahrung müssen sich lohnen und die Entwicklungschancen müssen sich verbessern. Dafür müssen Entgeltstufen für die Anlerntätigkeiten in den Entgeltstufen 1 bis 3 eingeführt werden und die Entgeltstufen für die Fachtätigkeiten in den Entgeltstufen 4 und 5 eingeführt beziehungsweise weiterentwickelt werden.
Entwicklungsmöglichkeiten für alle mit dreijähriger Ausbildung
Bisher werden Handwerker*innen, Kaufleute, Chemiekant*innen in die Entgeltgruppe 6 eingruppiert, Prozessleitelektroniker*innen kommen nach zwei Jahren in die Entgeltgruppe 7 und Chemielaborant*innen und IT-Berufe werden sofort in die Entgeltgruppe 7 eingruppiert. Für den Schritt von E6 nach E7 braucht es eine Ausbildung in einem der so genannten privilegierten Berufe (Chemielaborant*in, Prozesselektronikerin, IT-Fachkraft), für die es einen höheren Abstraktionsgrad braucht. Diese Unterscheidung hält die IGBCE für überkommen. Nach ihrem Willen sollen alle Beschäftigte mit einer branchentypischen mindestens dreijährigen Fachausbildung (zum Beispiel Elektroniker*innen, IT-Berufe, Chemielaborant*innen, Chemie- und Pharmakant*innen, Industriemechaniker*innen, Industrie- und Bürokaufleute) nach spätestens zwei Berufsjahren in die Entgeltgruppe 7 kommen.
Durchlässigkeit verbessern
Für Beschäftigte im gewerblichen Bereich ist in der Regel mit der Entgeltgruppe 8 Schluss. Die Attraktivität und die Entwicklungschancen für Beschäftigte mit hoher Verantwortung insbesondere im Produktionsbereich müssen erhöht werden und die große Lücke zwischen den Entgeltgruppen 8 und 9 geschlossen werden. Der Unterschied in den Endsätzen beträgt aktuell bis zu 1.100 Euro. Die IGBCE schlägt vor, entweder eine neue Entgeltgruppe zwischen E8 und E9 oder eine Zusatzstufe für die E8 einzuführen.
Regelungen zur Höhergruppierung vereinfachen
Das Problem: Höhergruppierung bedeutet nicht immer mehr Geld. Das gilt zum Beispiel für einen Beschäftigten, der nach sechs Jahren von der Entgeltstufe 6 (3.960 Euro im Tarifbezirk Nordrhein) in die Entgeltstufe 7 umgruppiert wird. Dem Grundsatz folgend, dass bei Höhergruppierungen bis zu drei Jahre angerechnet werden, kommt dieser Beschäftigte in die Entgeltgruppe 7 und verdient 3.730 Euro (Erfahrungsstufe 2). Da diese Stufe niedriger ist, erhält er weiterhin seinen bisherigen Tarifsatz. Nach einem Jahr kommt er in die nächste Erfahrungsstufe E7/4 (3.941 Euro) die ebenfalls niedriger ist. Erst nach insgesamt drei Jahren erhält er mit der E7/6 (4.152 Euro) endlich mehr Geld. Um das zu ändern, will die IGBCE in den Verhandlungen eine Vereinheitlichung der Höhergruppierungsregelung durchsetzen: Der höhergruppierte Beschäftigte soll immer mindestens den Tarifsatz der neuen Entgeltgruppe erhalten, der am nächsten über seinem bisherigen Tarifsatz liegt. So wäre gewährleistet, dass eine Höhergruppierung auch wirklich mehr Entgelt bedeutet.
Vertretungsregelung harmonisieren
Bisher gibt es für die Entgeltgruppen 1 bis 6 eine Vertretungszulage ab einer Schicht und für die Entgeltgruppen 7 bis 13 nur eine Vertretungszulage bei mehr als 4 Wochen. Das Problem: Der zweite Fall tritt selten auf, im Prinzip nur bei Vertretung von Langzeiterkrankten. Bei klassischer Urlaubsvertretung läuft diese Regelung ins Leere. Die IGBCE schlägt deshalb vor, die Vertretungszulage für alle Gruppen grundsätzlich für mindestens eine volle Schicht zu vereinbaren.
Nicht mehr zeitgemäße Unterscheidungen auflösen
Neun der bundesweit 13 Tarifbereiche unterscheiden ab Entgeltgruppe 8 die Bereiche kaufmännische, technische und Meistertätigkeit. Die Unterschiede liegen in den meisten Fällen zwischen 100 bis 300 Euro, im Extremfall sogar bis zu 600 Euro Entgelt pro Monat. Eine Logik ist dabei nicht erkennbar. Deshalb will die IGBCE diese nicht mehr zeitgemäße und diskriminierende Unterscheidung zwischen kaufmännischer, technischer und Meistertätigkeit auflösen.
Entgeltbedingungen für Akademiker*innen und ATler tariflich absichern
Die Aufstiegsfalle: Der Aufstieg in den Bereich der Außertariflichen, ein fragwürdiger. Viele außertariflich Beschäftigte (ATler) verdienen deutlich weniger, als wenn sie in der höchsten Stufe Entgeltgruppe 13 eingruppiert wären und haben keinen Anspruch auf sonstige tarifliche Leistungen und tariflichen Schutz. Die IGBCE setzt sich daher für die Einführung von Mindestjahresbezügen für Akademiker*innen und außertariflich Beschäftigten ein, die sich mit der Berufspraxis weiterentwickeln. Diese sollen außerdem eine anforderungsgerechte Vergütung im Verhältnis zu Tarifbeschäftigten gewährleisten.