Von der Nachkriegszeit bis heute

Von der Nachkriegszeit bis heute: Endlich gleichberechtigt?

Direkt nach dem Krieg bilden sich neue Frauenorganisationen. Das politische und gesellschaftliche Leben mitgestalten -  ist ihr Anspruch. Wichtigstes Ziel  ist die Gleichberechtigung der Geschlechter. Doch die Frauen stoßen auf große Widerstände.

Gleiche Arbeit - Gleicher Lohn - Demonstrationszug im Ruhrgebiet unter Beteiligung der IG Bergbau und Energie

Gleiche Arbeit - Gleicher Lohn - Demonstrationszug im Ruhrgebiet unter Beteiligung der IG Bergbau und Energie

Foto: © H. W. Walter Hesse

Deutsche Nachkriegszeit: Der große Wurf bleibt aus

Nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 erheben Frauen von Beginn an den Anspruch, politisch und gesellschaftlich am demokratischen Aufbauprozess des Landes beteiligt zu werden. Trotz politischer Auseinandersetzungen, auch unter den Frauen, herrscht Einigkeit über die grundsätzliche Richtung: Gleichberechtigung der Geschlechter. 1949 wird der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" in Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes verankert. Die geistige Mutter dieses Satzes ist die Juristin Elisabeth Selbert, eine der vier Frauen, die am Entwurf des Grundgesetzes mitwirken. Die Gleichberechtigung soll grundsätzlich und ohne Ausnahmen gelten.

Die Realität sieht jedoch anders aus. So nahm das Bundesverfassungsgericht natürliche biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau während der 50-er und 60-er Jahre zum Anlass, Ungleichbehandlungen zu rechtfertigen. Das hat konkrete Nachteile für Frauen zur Folge. Ihnen wird zum Beispiel der Zugang zu Bildung und Arbeit erschwert und die finanzielle Eigenständigkeit unmöglich gemacht. Trotz formeller Gleichberechtigung bleibt die Rolle der Hausfrau das Leitbild.

Frauen in der DDR: Gleiche Rechte und doppelt belastet

In der DDR scheint Realität zu sein, wofür die westliche Frauenbewegung noch kämpft. In Artikel 7 der DDR-Verfassung von 1949 heißt es: „Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenwirken, sind aufgehoben." Diese Formulierung lässt wesentlich weniger Interpretationsspielraum als die entsprechende Passage des Grundgesetzes. Frauen werden in der Berufswelt fest integriert und dem Mann gleichgestellt. Der Staat sorgt für eine flächendeckende Kinderbetreuung. Trotzdem schaffen es auch in der DDR nur wenige Frauen, tatsächlich Karriere zu machen. Innerhalb der Familie übernehmen auch sie meist den Löwenanteil an Haushalt und Kindererziehung.

Frauen in der BRD: Im Westen lange nichts Neues

Das Bild des erwerbstätigen Mannes und der Haus und Heim hütenden Frau dominiert bis in die 1960er Jahre hinein das Denken. Will eine Frau einer Arbeit nachgehen, braucht sie die Genehmigung des Ehemannes. Er allein kann den Arbeitsvertrag unterschreiben. Bis 1958 hat ein Ehemann das Recht, das Arbeitsverhältnis seiner Frau fristlos zu kündigen. Erst 1977 entfällt der Paragraph 1356 „Die Frau ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist".

Nur allmählich gewöhnt man sich an die Berufstätigkeit von zunächst alleinstehenden oder geschiedenen, dann auch von verheirateten Frauen. Am schwersten tut man sich damit, die Erwerbsarbeit von Müttern zu akzeptieren. Von gleicher Bezahlung kann allerdings keine Rede sein. Erst 1955 sorgt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts für die Abschaffung der „Abschlagsklauseln" für Frauenlöhne. Sie besagten, dass Frauen 10 - 25 Prozent weniger Lohn zusteht als Männern. In der Folge werden „Leichtlohngruppen" eingeführt, die für eine geringere Bezahlung von Frauen sorgen.

Die Abschaffung dieser Leichtlohngruppen ist eines der wichtigsten Ziele der Gewerkschaften. So fordern sie bereits in den 50er Jahren „Gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit". 1950 wird mit Rose Marquardt zum ersten Mal nach dem Krieg eine Frau Mitglied in einem Gewerkschaftsvorstand. Sie kämpft in der IG Chemie-Papier-Keramik für die Rechte der Frauen und Gleichberechtigung in Tarif- und Lohnverträgen.

Rose Marquardt, Vorstandsmitglied in der IG Chemie-Papier-Keramik

Rose Marquardt, Vorstandsmitglied in der IG Chemie-Papier-Keramik

Foto: © Archiv IG BCE

Im April 1954 findet in Kassel die erste bundesweite Frauenkonferenz der IG Chemie-Papier-Keramik statt. Zwei Jahre zuvor veranstalten die Frauen der Gewerkschaft Leder ihre erste Arbeitstagung. 1968 treffen sich die Frauen aus der IG Bergbau und Energie in Bochum.

Während der 68er-Bewegung und in den Jahren machen Frauen mit landesweiten Protesten auf ihre Anliegen aufmerksam. Sie propagieren ein neues Bild der Frau, die selbstbestimmt und wirtschaftlich unabhängig ihr Leben gestaltet und frei über ihren Körper verfügt. So treten die Feministinnen gegen den Abtreibungsparagrafen 218 an und gegen die Vergewaltigung in der Ehe. Mit der Einführung des Straftatbestandes der Vergewaltigung in der Ehe 1997 erreichen sie nach langen Kämpfen einen großen Erfolg.

Die Gewerkschaften setzen sich in dieser Zeit speziell für die eigene finanzielle Sicherheit von Frauen ein. Denn die Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern ist immer noch nicht erreicht.

In den 80er Jahren führt die schlechte wirtschaftliche Lage dazu, dass Frauen immer mehr aus dem Erwerbsleben verdrängt werden. Der Kampf gegen die hohe Frauenarbeitslosigkeit, das Thema Teilzeitbeschäftigung und Chancengleichheit sind wichtige Punkte auf der Agenda der Gewerkschaften. Die IG Chemie-Papier-Keramik schließt in dieser Zeit eine Sozialpartnervereinbarung zur Chancengleichheit in den Betrieben ab.

Frauen heute: Angekommen in der gleichberechtigten Welt?

Auch im wiedervereinigten Deutschland ist der Weg zur Gleichberechtigung von Mann und Frau noch nicht beendet. Laut einer Umfrage des Forschungsinstituts TNS aus dem Jahr 2008 im Auftrag des Nachrichtenmagazins Der Spiegel sind 70 Prozent der Befragten der Meinung, dass Frauen und Männer nicht völlig gleichberechtigt seien.

Zwar versucht der Staat die Gleichberechtigung weiter zu fördern, zum Beispiel mit dem 2007 eingeführten Elterngeld, das für beide Elternteile Anreize zu einer Auszeit zugunsten der Familienarbeit schafft. Frauen soll so die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert werden. Doch immer noch fehlen Krippen- und Kindergartenplätze, um die Betreuung nach der Elternzeit sicherzustellen. So schränken nach wie vor überwiegend Mütter ihre beruflichen Ambitionen zugunsten der Kinder ein.

Das Einkommen von Frauen liegt in Deutschland immer noch deutlich unter dem der Männer. In Westdeutschland verdienen Frauen in der Privatwirtschaft im Durchschnitt 23 Prozent weniger, in Ostdeutschland etwa 13 Prozent.
Die Frauenerwerbstätigkeit hat in den 1990er Jahren deutlich zugenommen. Untersuchungen der Hans-Böckler-Stiftung zeigen allerdings: Der Zuwachs geht hauptsächlich auf mehr Teilzeitbeschäftigung zurück - die Zahl der Frauen mit Vollzeitjobs ist gesunken.

Die 30 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland haben insgesamt 191 Vorstandsmitglieder. Darunter gerade einmal zwölf Frauen. Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung ist der Anteil 2013 sogar gesunken. Auch in den Aufsichtsräten sieht es nicht viel besser aus. Hier liegt der Frauenanteil bei zehn Prozent.