1921–1930

Inflation und Massenarbeitslosigkeit

Die 1920er-Jahre sind ein wirres Jahrzehnt: Revolution und Gegenrevolution lösen sich in der Weimarer Republik ab. In Berlin wird entweder erbittert gekämpft oder wild getanzt. Das Geld ist wenig wert, viele leben deswegen in Armut. Der Reichstag verabschiedet endlich eine Arbeitslosenpflichtversicherung.

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Plakat aus den 1920er-Jahren

Foto: © IG BCE Archiv

Während sich Berlin nach dem Ersten Weltkrieg zur Kultur- und Unterhaltungshauptstadt Europas entwickelt, leben viele Menschen in Deutschland weiterhin in Armut. Das Geld ist teilweise so wenig wert, dass man damit die Wände tapeziert. Für ein halbes Kilo Margarine muss man 9 Stunden arbeiten. Gerade einmal 60 Pfennige gibt es durchschnittlich für eine Stunde harter Arbeit. Am Ende der Inflation ist das Lohnniveau auf den Stand von 1910 zurückgefallen.

Politische Radikalisierung links wie rechts

Der Versailler Vertrag legt einen wesentlichen Grundstein für zukünftige Konflikte in der Weimarer Republik. Die hohen Reparationszahlungen zwingen die Regierung in Berlin zu einer Sparpolitik mit fürchterlichen Konsequenzen besonders für die Arbeiter und die sozial Schwachen in der Nachkriegsgesellschaft. In den 14 Jahren der Weimarer Republik wechseln sich 20 Regierungen ab. Das Misstrauen gegen die Politik wächst. Die Mehrheiten für Sozialdemokraten und die abgespaltene Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) lassen sich nicht halten. Rechte und nationalkonservative Parteien nagen an den Grundfesten der Demokratie, die sie rundweg ablehnen. Auf der linken Seite sind sich Sozialdemokraten und Kommunisten spinnefeind: Die einen sehen in der SPD „Sozialfaschisten“, die anderen in der KPD den verlängerten Arm der Bolschewisten, denen demokratische Spielregeln egal sind. Auch die deutsche Gewerkschaftsbewegung ist gespalten: auf der einen Seite die freien Gewerkschaften, die sozialistisch orientiert sind, auf der anderen Seite der Deutsche Gewerkschaftsbund, der christlich-national orientiert ist. Hinzu kommen die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine. Sie sind liberal und konkurrieren mit den sozialistischen freien und den christlichen Gewerkschaften. Der Börsenkrach am „Schwarzen Freitag“ 1929 leitet endgültig den wirtschaftlichen und politischen Niedergang ein. Die fatalen Folgen für die Weimarer Republik: Massenarbeitslosigkeit. Sie weist im internationalen Vergleich mit 18 Prozent die höchste Quote aus. Die Folge: eine weitere politische Radikalisierung links wie rechts.

Arbeitslosenversicherung wird Pflicht

Die Arbeit für die Gewerkschaften wird in diesen wirren Jahren schwieriger: Die Unternehmen versuchen, den Einfluss der Gewerkschaften wieder zurückzudrehen. Trotzdem kann der Fabrikarbeiterverband 1930 aus Anlass seines 40-jährigen Bestehens eine erfolgreiche Bilanz ziehen. Mittlerweile organisiert er Beschäftigte in der Chemie-, Papier-, Zement-, Gummi- und Konservenindustrie, unter Glas- wie auch Porzellanarbeitern sowie auch Heimarbeiter. Für diese Arbeiterinnen und Arbeiter hat die Gewerkschaft kürzere Arbeitszeiten, Lohnerhöhungen, Tarifverträge sowie Urlaubsansprüche durchgesetzt und einen besseren Krankheits- und Arbeitsschutz erkämpft. Seit 1927 verfügt die Gewerkschaft über eine eigene Schule und führt ein eigenes Frauenreferat ein. Im selben Jahr verabschiedet der Reichstag endlich eine Arbeitslosenpflichtversicherung. Ein wichtiger Erfolg der Gewerkschaften. Auch in Sachen Unternehmensmitbestimmung gibt es Bewegung. Laut Gesetz sind nun in die Aufsichtsräte von Kapitalgesellschaften mit mehr als drei Mitgliedern zwei Betriebsräte zu entsenden. Trotzdem: Das politische Umfeld wird von Monat zu Monat schwieriger. Nur wenige stehen zur demokratischen Gesellschaft und zur Republik – darunter die Gewerkschaften.

1931–1940: Verfolgung und Widerstand