Jahrespressekonferenz der IGBCE

IGBCE fordert Bollwerk gegen die Inflation

Angesichts rasant steigender Energie- und Verbraucherpreise fordert die IGBCE schnell wirkende Ausgleichsmaßnahmen für Bürger*innen und Industrie. „Wir müssen ein Bollwerk gegen die Inflation errichten“, sagte der Vorsitzende Michael Vassiliadis,  bei der Jahrespressekonferenz der zweitgrößten deutschen Industriegewerkschaft.

Jahrespressekonferenz 2021

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IGBCE

Foto: © Christian Burkert

Hier sehe sich die IGBCE zunächst selbst in der Pflicht. Die Gewerkschaft werde alles Notwendige tun, um ihre Mitglieder vor Inflation zu schützen, machte Vassiliadis deutlich. „Die klassische Entgeltforderung ist zurück an der Spitze der Tarifpolitik.“ In der im März anstehenden Tarifrunde der chemisch-pharmazeutischen Industrie werde die Steigerung der Kaufkraft der 580.000 Beschäftigten im Zentrum der Verhandlungen stehen. „Am Ende muss ein Entgeltplus oberhalb der Teuerungsrate stehen“, sagte der IGBCE-Vorsitzende. Das steigere zudem die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und sei Zahl gewordene Wertschätzung.

Vassiliadis warnte davor, die aktuellen Preissteigerungen als vorübergehende Effekte zu verniedlichen. Viele Corona- und Engpass-bedingte Verteuerungen steckten noch in der Lieferkette. Viele der drastischen Erhöhungen bei Strom und Gas hätten erst zum Jahreswechsel gegriffen, ebenso wie die 20-prozentige Anhebung des CO2-Preises. „Das wahre Ausmaß dieser Teuerungswelle ist noch gar nicht bei den Menschen angekommen.“

Vor allem mit Blick auf die explodierenden Energiepreise forderte Vassiliadis schnelles Handeln der Politik. Der angekündigte Heizkostenzuschuss für sozial Schwache sei ein Anfang, werde der Größe des Problems jedoch nicht gerecht. „Wir brauchen ein schnell wirkendes Entlastungspaket für private Haushalte und Familien.“ Der IGBCE-Vorsitzende nannte als Optionen unter anderem Energieschecks für bestimmte Einkommensgruppen, eine höhere Mobilitätspauschale und ein Vorziehen von EEG-Entlastungen und des Klimagelds.

Gleichzeitig müssten die Beschäftigten in der energieintensiven Industrie nachhaltig vor drohendem Jobverlust durch Verwerfungen an den Energiemärkten geschützt werden. Besonders aus Papier-, Glas- und Keramikindustrie häuften sich derzeit Meldungen, dass die hohen Gas- und Strompreise eine Produktion unwirtschaftlich machten. Erste Drosselungen gebe es bereits. Notwendig sei eine Deckelung des Industriestrompreises auf einem international ebenbürtigen Niveau, forderte Vassiliadis.

Die Pläne der neuen Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP, die Energiewende zu beschleunigen, begrüßte Vassiliadis. Mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien müsse allerdings auch ein radikaler Ausbau der Gaskraftwerke einhergehen. „Nötig ist nicht weniger als die Verdopplung der heutigen Kapazitäten bis 2030. Das ist der größte Zubau thermischer Leistung der Geschichte“, so der IGBCE-Vorsitzende. Hintergrund ist der steigende Bedarf an sicherem, also jederzeit verfügbarem Strom, bei gleichzeitigem Auslauf von Kernenergie und Kohleverstromung.

Genau diese Ausbaupläne würden jedoch durch die Taxonomiepläne der EU torpediert. Diese derzeit in der Endabstimmung befindlichen Richtlinien für klimagerechte Investitionen seien bei der Gaskraft nicht zu erfüllen. „Damit gefährdet die EU die Energiewende, die Versorgungssicherheit und die energieintensiven Industriebranchen in Deutschland“, mahnte Vassiliadis. Ohne einen radikalen Ausbau der Gasverstromung werde es auch kein Vorziehen des Kohleausstiegs geben können.

Angesichts dieser Zusammenhänge zeigte sich der Gewerkschaftschef enttäuscht von der von Wirtschaftsminister Robert Habeck vorgelegten „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“. Darin fänden sich keine Pläne zum Ausbau der Gasverstromung, schwankende Energieversorgung solle offenbar in erster Linie durch Importe und Lastenabschaltung aufgefangen werden. „Wer glaubt, das Problem schwankender Einspeisung zu lösen, indem er Atomstrom aus Frankreich und Kohlestrom aus Polen importiert, gleichzeitig unsere energieintensiven Fabriken vom Netz nimmt und unsere Kolleg*innen in Kurzarbeit schickt, der wird auf unseren entschiedenen Widerstand treffen“, so Vassiliadis. Habeck müsse nun schnell einen klaren Plan vorlegen, wie die Gasverstromung ausgebaut werden soll.

Zur Eile mahnte Vassiliadis auch bei der geplanten Einrichtung der „Allianz für Transformation“. Sie sollte in der Bundesregierung Chefsache sein, alle relevanten Ziele, Instrumente, Regulierungs- und Finanzierungsthemen rund um die Transformation müssten auf den Tisch. Die IGBCE hat darüber hinaus die Fassung eines Transformationsindex angeregt, der für alle Beteiligten verbindliche Leitplanken dieser Mammutaufgabe beschreibt.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Omikron-Welle präsentierte Vassiliadis zudem eine Umfrage unter 1500 IGBCE-Mitgliedern zu den Arbeitsbedingungen in der Industrie während der Corona-Pandemie. Es zeigt sich, dass die weit überwiegende Mehrheit der Beschäftigten hinter den 3G-Regeln im Betrieb steht und die Arbeitgeber in überwiegender Zahl ihren Hygienevorgaben nachkommen. Jede*r fünfte Beschäftigte monierte jedoch, dass 3G im Betrieb nicht lückenlos kontrolliert werde. Ebenfalls gut 20 Prozent kritisierten, dass Homeoffice nicht gern gesehen sei oder bekämpft werde. Vergleichsweise groß ist zudem die Verunsicherung in der Produktion, wo jede*r Dritte „nicht alles sauber geregelt“ sieht und jede*r Zehnte eine „große“ Ansteckungsgefahr. Hier müssten die Betriebe dringend nachbessern, so Vassiliadis. „Der Schutz der Beschäftigten muss oberste Priorität haben.“