Podiumsdiskussion

Fachkräfteeinwanderung geht nur mit Willkommenskultur!

Wie kann Fachkräfteeinwanderung gelingen? Wo gibt es Schwierigkeiten oder Optimierungsbedarf? Welche Gestaltungsmöglichkeiten hat die IGBCE dabei? Über diese Fragen diskutierten im Rahmen der interkulturellen Wochen in der Hauptverwaltung der IGBCE namhafte Vertreterinnen und Vertreter von Gewerkschaften und Interessenverbänden.

Podiumsdiskussion Fachkräfteeinwanderung I

vlnr: Libuse Cerna, Gerd Wiegel, Naciye Celebi-Bektas, Jennifer Mansey, Ziya Yüksel, Lenard Suermann.

Foto: © Sabine Winterwerber

Die IGBCE wolle in allen Betrieben eine Willkommenskultur für Menschen schaffen, die außerhalb Deutschlands geboren wurden und zuvor in anderen Ländern gelebt haben, sagte Oliver Heinrich, neu gewähltes Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IGBCE, in seiner Begrüßung deutlich.

„Aber zu einer echten Willkommenskultur gehört mehr: Das Ankommen im Betrieb, in der Belegschaft, aber auch im sozialen Umfeld. Werde ich als Person respektiert,  wird meine Würde geachtet? Oder muss ich mir beides erst hart erkämpfen?" Jede und jeder habe ein Recht darauf, diskriminierungsfrei zu leben und zu arbeiten und so akzeptiert zu werden, wie er und sie ist, erklärte Heinrich und ergänzte „Zu dieser großen Aufgabe trägt auch der Interkulturellen Bundesarbeitskreis in der IGBCE maßgeblich bei.“

Podiumsdiskussion Fachkräfteeinwanderung Olvier Heinrich

Oliver Heinrich, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes der IGBCE

Foto: © Sabine Winterwerber

Grundlage der Diskussion waren die drei Gesetze im Bereich der Integrations- und Migrationspolitik, die die Bundesregierung zuletzt auf den Weg gebracht hat bzw. an denen sie derzeit arbeitet. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz sollen mehr qualifizierte Fachkräfte für Deutschland angeworben werden. Es soll beispielsweise leichter werden, einen Job in Deutschland zu suchen und dafür eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Mit dem Chancenaufenthaltsrecht erlangen langfristig geduldete Menschen einen Aufenthaltstitel, der ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht und so Voraussetzungen des Bleiberechts erfüllt. An einem dritten Gesetz arbeitet die Bundesregierung zurzeit noch: die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Hier ist es vor allem wichtig, dass die Verfahren zur Erlangung der Staatsangehörigkeit schneller von statten gehen.

Mit Libuse Cerna, stellvertretende Vorsitzende des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat und Naciye Celebi-Bektas, Projektleiterin bei NeMia, waren zwei Expertinnen Teil der Podiumsdiskussion, die schon seit vielen Jahren Menschen, die nach Deutschland kommen, auf ihrem Weg begleiten. Sei es durch Unterstützung bei Behördengängen oder bei der Integration in den Arbeitsmarkt. “In Deutschland wurde die Realität des großen Arbeitskräftebedarfs lange ignoriert. Wir haben derzeit zwar eine Öffnungsdebatte, aber eine klare Abgrenzungsrealität. Die Bürokratie hindert zudem die Integration. Es braucht deshalb kompetente Begleitung, bereits ab der Terminbeschaffung eines Behördengangs“, so Libuse Cerna.

Für das Projekt NeMia, Netzwerk Migrantinnen und Arbeitsmarkt vom DGB Niedersachsen berichtete Naciye Celebi-Bektas: „Die Probleme liegen auch im nicht schnell umgesetzten Digitalisierungsprozess der deutschen Behörden. Ohne die weitere Stärkung von Netzwerken wie NeMiA gibt es für Migrant*innen weiterhin hohe Hürden. Deshalb sind ein Umdenken und eine Prozessbeschleunigung notwendig.”

Mit dem Blick auf die Geschlechtergerechtigkeit ergänzte Moderatorin Jennifer Mansey, Abteilungsleiterin Frauen/Diversity bei der IGBCE, dass „Migrantinnen oft sogar in zweifacher Hinsicht benachteiligt sind, wenn es darum geht, eine angemessen bezahlte und qualifikationsgerechte Beschäftigung zu finden - zum einen als Frau und zum anderen als Mensch mit Migrationshintergrund.“

Neben der rechtlichen und individuellen Ebene der Integration war in der Diskussion aber vor allem auch die betriebliche Ebene wichtig. Denn Menschen werden nur zu uns nach Deutschland kommen, wenn sie in den Betrieben auf eine Willkommenskultur stoßen. Es ist zu beobachten, dass diese Art der Willkommenskultur in den Betrieben häufig von ehrenamtlicher Seite vorangetrieben wird. Aus Sicht des iBAK-Mitglieds Ziya Yüksel „muss der Einsatz gegen Diskriminierung und für eine vielfältige Belegschaft fester Bestandteil der Unternehmensstrategie werden. Betriebsräte drängen bereits auf Betriebsvereinbarungen oder fordern betriebliche Willkommenspakete ein, doch die Unternehmen verhalten sich in diesem Bereich sehr zögerlich.“

Der Referent der Gelben Hand, Lenard Suermann, warf einen Blick auf die Willkommenskultur der letzten Jahre: „Dass 2015 überall Menschen tatkräftig für eine solidarische Willkommenskultur einstanden, war bemerkenswert. Allerdings zeigten sich auf die Dauer auch Ermüdungserscheinungen bei den ehrenamtlichen Netzwerken vor Ort.“ Das zeige einmal mehr, wie wichtig es sei, dass das Ehrenamt institutionell gestützt werde – außerhalb wie innerhalb der Betriebe.

Klar wurde: Gesetze allein reichen nicht und ebnen höchstens den Weg. Ihre Umsetzung muss gewerkschaftlich begleitet werden. Eine nachhaltige und erfolgreiche Fachkräfteeinwanderung kann nur mit Willkommenskultur gelingen! Sie braucht nicht nur Rahmenbedingungen und symbolische Gesten, sondern konkrete Maßnahmen und Menschen in den Betrieben, die diese umsetzen.

Der interkulturelle Bundesarbeitskreis (kurz iBAK) ist seit 1971 ein Gremium der IGBCE und hat zur Aufgabe, die Migrant*innen innerhalb der Organisation, aber auch innerhalb unserer Branchen zu vertreten. Er setzt sich für die Chancengleichheit der Arbeitnehmer*innen ein und beobachtet die Erarbeitung neuer Gesetze wie z.B. das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Für das Gremium entsendet jeder IGBCE Landesbezirk zwei Personen.

Stimmen:

Ziya Yüksel, BASF, Mitglied des iBAK (Interkulturellen Bundesarbeitskreises) der IGBCE: 
„Wer Fachkräfte will, muss auch etwas dafür tun. Die Onboarding Prozesse im Betrieb für neue Mitarbeiter kann man nicht auf Checklisten beschränken. Es braucht empathische Menschen dahinter, welche unterstützen. Dies läuft aktuell meist nur ehrenamtlich… Leider bilden wir derzeit die schon vorhandene Diversität unserer Betriebe nicht in unseren Gremien (wie Betriebsräte) ab. Daran sollten wir arbeiten.“

Gerd Wiegel, DGB Referatsleiter Demokratie, Migrations- & Antirassismuspolitik mit gewerkschaftlicher Einschätzung über das Zusammenspiel des Gesetzespakets Fachkräfteeinwanderung, Chancenaufenthaltsrecht sowie Staatsangehörigkeitsrecht:
„Die Umsetzung der beschlossenen Regelungen sollte gewerkschaftlich beobachtet und begleitet werden. Qualifikationsanerkennung und Begleitung bei der Arbeitsmarktintegration sind hier wichtige Punkte, ebenso die Kontrolle der im Gesetz formulierten Bedingungen wie Tarifbindung und Sozialversicherungspflicht".

Naciye Celebi-Bektas, Projektleitung NeMiA, Netzwerk Migrantinnen und Arbeitsmarkt Niedersachsen: 
Die Prozesse beispielsweise für die Anerkennung von bereits erlernten Berufen dauern bis zu zwei Jahre, weshalb Menschen sich für ein anderes Land entscheiden und im Zweifel sogar den Prozess abbrechen. Wenn wir es nicht schaffen, Migrant*innen zu wertschätzen und weiterhin nur wie Menschen 2. oder 3. Klasse zu behandeln, wird eine erfolgreiche Fachkräfteeinwanderung nicht gelingen.