Geplante Schließung des Reifenwerks

"Oche ohne Conti ist wie Auto ohne Reifen“

Mehr als 1500 Menschen haben am Sonnabend in Aachen gegen die geplante Schließung des Continental-Reifenwerks demonstriert. Sie zogen am Vormittag vom Parkplatz vor dem Werk zum Kaiserplatz, wo die zentrale Kundgebung stattfand.

Conti-Demo in Aachen
Foto: © Markus Feger

Die Demonstranten trugen Transparente mit Aufschriften wie „Oche ohne Conti ist wie Auto ohne Reifen“, „Eure Habgier zerstört unsere Existenz“ oder „Wir bluten für eure Rendite“. Sie machten ihrem Unmut mit Trommeln und Sirenen Luft. Aufgrund der Corona-Hygieneregeln galten Masken- und Abstandsgebot.

Continental hatte in der vergangenen Woche völlig überraschend angekündigt, die Reifenproduktion in Aachen schließen zu wollen, wovon 1800 Menschen betroffen wären. Das Vorhaben ist Teil eines verschärften Sparprogramms, mit dem bundesweit 13.000 Arbeitsplätze gestrichen werden sollen.  

"Ich arbeite seit 10 Jahren in diesem Werk als Reifenbauer und es ist eine riesen Sauerei, wie mit uns umgegangen wird", beschwerte sich der 33-jährige Reifenbauer Patrick Ulrich. Das Ganze sei eine Farce und er frage sich wirklich, wieso Probleme geschaffen werden, die ganz offensichtlich nicht sein müssten. "Der Laden läuft. Das weiß ich, das weiß jeder hier. Diese Geldgier löst in mir Gefühle aus, die ich in der Öffentlichkeit besser nicht beschreibe", sagte Ulrich.

Nicht nur Beschäftigte demonstrierten mit. Auch Freunde und Angehörige beteiligten sich an dem Protestzug. "Durch meinen Mann, bin auch ich Teil der Conti-Familie geworden", sagte Chantal Schroers. "Jetzt soll er völlig unbegründet seinen Job verlieren? Und dabei soll ich auch noch einfach so zu zusehen? Nein, das ist nicht zu akzeptieren. Denn es geht um mehr als nur um Existenzängste", sagte die 21-Jährige. Es gehe um Respekt und Solidarität. 

Viele derzeitige und ehemalige Continental-Beschäftigte fühlten sich als Teil einer großen Familie – bis sie von dem geplanten Stellenabbau hörten. So auch die 68-jährige einstige Conti-Mitarbeiterin Vera Eke: "Als ich hörte, was sich bei Continental zurzeit abspielt, wusste ich gleich, dass ich die betroffenen Menschen unterstützen möchte. Das muss man sich mal vorstellen. Was die sich jetzt für Sorgen machen müssen. Das wünscht man niemanden. All die Familien liegen mir wirklich am Herzen."

Conti-Demo in Aachen (1)
Foto: © Markus Feger

"Der Vorstand will mir meine Existenz und meine Zukunft unter den Füßen wegreißen. "

Mohamed Ougned
Reifenbauer im Conti-Werk Aachen

Unverständnis und Trauer war bei den Demonstranten zu spüren. "Der Vorstand will mir meine Existenz und meine Zukunft unter den Füßen wegreißen", sagte Reifenbauer Mohamed Ougned. Obwohl sie Profit machen und Gewinne erzielen würden. "Wir alle hier zeigen immer vollen Einsatz und sind jetzt einfach nur Fassungslos darüber, was der Vorstand mit dem Werk und uns Beschäftigten vorhat." Das sei alles nicht nachvollziehbar und mache ihn sehr traurig, sagte der 48-Jährige. "Ich bin extrem enttäuscht."

Die Rednerinnen und Redner auf dem Podium kritisierten die Abbaupläne des Automobilzulieferers scharf. „Aachen ist ein hochmodernes Werk, das schwarze Zahlen schreibt. Es in einer Hauruck-Aktion dicht machen zu wollen und ohne Dialog und Alternativsuche den Menschen ihre Zukunft zu nehmen, ist kühler Zynismus. Dahinter steht ein Managementverständnis, das wir ablehnen“, sagte der Vorsitzende der IG BCE, Michael Vassiliadis. „Das ganze Vorhaben wirkt unüberlegt und überhastet. Die Eigentümer müssen hier dringend für Vernunft und Stil sorgen und mit uns alternative Wege ausloten.“

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet kritisierte: „Was hier nun geschieht ist gegen jede Verabredung, gegen jede Regel, gegen alles, was auch zur Tradition des Miteinanders von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Politik in Nordrhein-Westfalen gehört. Das ist eine mit unserer sozialen Marktwirtschaft nicht vereinbare Form von kaltem Kapitalismus. Wenn wir als Land helfen können, dann wird jede Hilfe bereitstehen.“

Eindrücke von der Demo in Aachen

Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von Continental, sagte: „Für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ist klar: Wir werden Standortschließungen weder in Aachen noch woanders akzeptieren. Wir fordern Konzepte und intelligente Strategien statt Kahlschlag und Profitmaximierung!“

Hasan Allak, Vorsitzender des Konzernbetriebsrats von Continental, hob hervor: „Werke zu schließen nimmt den Menschen dauerhaft jede Perspektive am betroffenen Standort. Deshalb fordern wir den Vorstand auf: Überdenken Sie Ihre Pläne, nehmen Sie sich gemeinsam mit uns die Zeit um den Menschen Perspektiven zu sichern. Hierfür braucht es ein ausgewogenes Paket für Transformation und Krisenbewältigung!“

In der kommenden Woche werden die Beschäftigten den Protest nach Hannover tragen, dem Sitz von Continental. Für Dienstag ist eine zentrale Kundgebung auf der Expo-Plaza geplant. In direkter Nähe tagt der Continental-Aufsichtsrat und diskutiert die Abbaupläne. Erwartet werden Delegationen aus Standorten bundesweit. Gleichzeitig soll dem Vorstand eine Petition übergeben werden, die beim Conti-Management "Zeit für Perspektiven" einfordert.