Mitbestimmung in Aufsichtsräten

IG BCE fordert Neujustierung der Konfliktlösung in Aufsichtsräten großer Unternehmen

Die IG BCE startet eine politische Initiative für bessere Corporate Governance und nachhaltige Konfliktlösung in Aufsichtsräten großer Kapitalgesellschaften. Die Reformvorschläge zielen darauf ab, weitreichende Unternehmensentscheidungen, die zwischen Kapital- und Arbeitnehmerseite strittig sind, künftig in einem Mediationsverfahren mit neutralem Schlichter zu fällen – statt durch das Doppelstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden. Ein entsprechendes Konzept hat der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis am Dienstag dem Beirat der Gewerkschaft präsentiert.

Er ist das wichtigste Gremium im Betrieb – und ein zentrales Element der Unternehmensmitbestimmung: der Aufsichtsrat.
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„Die aktuelle Gesetzgebung entstammt einer Zeit, als alte, weiße Männer noch meinten, mit einem Schlag auf den Tisch ganze Konzerne regieren zu können“, sagt Vassiliadis. „Es ist den komplexen Herausforderungen der industriellen Transformation, vor denen heute nahezu alle deutschen Konzerne stehen, nicht mehr gewachsen – und wird von der Kapitalseite zunehmend als Machtinstrument missbraucht.“

Dies habe nicht zuletzt der Fall Continental bewiesen, als der Aufsichtsratsvorsitzende die Streichung von 30.000 Arbeitsplätzen und die Schließung ganzer Standorte mit seiner Zweitstimme durchdrückte – ohne dass zuvor gemeinsam Alternativen abgewogen werden konnten. „Die Unternehmensmitbestimmung ist nachweislich ein deutscher Standortvorteil – aber sie braucht dringend ein Update“, bringt es Vassiliadis auf den Punkt.

Das Reformkonzept der IG BCE sieht im Detail vor, dass bei weitreichenden Unternehmensentscheidungen wie etwa Rechtsformänderungen, Sitzverlagerungen ins Ausland, Unternehmensverkäufen, Mergern, Übernahmen, Werksschließungen oder Massenentlassungen im Falle eines Konflikts zwischen Kapital- und Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat ein neutraler Schlichter eingesetzt wird, auf den sich das Gremium zuvor mit 2/3-Mehrheit geeinigt hat. Der Einigungsvorschlag des Schlichters hat in angemessener Frist zu erfolgen. Er kann nur mit einer 2/3-Mehrheit im Aufsichtsrat abgelehnt werden.

„Was wir fordern, ist kein Eingriff in die unternehmerische Freiheit – es ist ein Zugewinn an unternehmerischer Beratungskompetenz“, sagt Vassiliadis. Niemand kenne die Unternehmen und ihre operative Lage besser als die dort Beschäftigten. „Moderne Unternehmen leben diese Gleichberechtigung längst. Es wird Zeit, dass der Gesetzgeber ihnen folgt."

Die industrielle Transformation werde in Zukunft viele strategische Zukunftsentscheidungen erfordern, die nicht von kurzfristigen Kapitalmarktinteressen geprägt sein dürften, sondern von ökonomischer, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit und Verantwortung für den Standort. Die IG BCE hat den Vorschlag bereits bei politischen Entscheidungsträgern platziert. „Erste Rückmeldungen sind ermutigend“, so Vassiliadis.

Das Mitbestimmungsgesetz stammt aus dem Jahr 1976 und sieht für große Kapitalgesellschaften mit mehr als 2000 Beschäftigten einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat vor. Bei Unternehmen mit 500 bis 2000 Beschäftigten stellen die Arbeitnehmer lediglich ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder.