Fragen und Antworten zum Betriebsrätemodernisierungsgesetz

 Gerade mit Blick auf Transformationsthemen ist eine Förderung von Mitbestimmung - und damit von Demokratie - im Betrieb entscheidend, um die Akzeptanz für kommende Veränderungen zu erhöhen. Die Politik hat jetzt die entscheidenden Schritte für die Modernisierung des Betriebsrätegesetzes getan: Der Bundestag hat das Gesetz am 21. Mai beschlossen und der Bundesrat entscheidet am 28. Mai abschließend darüber. 

 In Kleinbetrieben (bis 20 Beschäftigte) werden die Formalitäten der Wahl deutlich vereinfacht. In Betrieben mit bis zu 100 Wahlberechtigten wird die Anzahl der erforderlichen Stützunterschriften (mind. 2) positiv festgeschrieben. Das bringt Vereinfachungen.

Ein gewisses Risiko aus unserer Sicht: die mögliche Bildung von Splittergruppen durch das Absenken der Stützunterschriften auf 2 Wahlberechtigte (anstatt bisher 1/20) bei 21 bis 100 Beschäftigten.

Und das fehlt uns: Ein möglicher Wechsel bei falscher Verfahrensart unter Beibehaltung des Wahlvorstands.

Jein. Bislang galt die Durchführung eines vereinfachten Wahlverfahrens nur für Kleinbetriebe bis 50 Wahlberechtigte (bzw. wahlweise bis 100). Der Gesetzentwurf sieht eine Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens auf bis zu 100 Wahlberechtigte (zwingend) bzw. auf bis zu 200 Wahlberechtigte (optional nach Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Wahlvorstand).  Die Ausweitung entspricht unserer Forderung und ist grundsätzlich zu begrüßen. Bei mehr als 200 Wahlberechtigten wird weiterhin das normale Wahlverfahren angewandt.

Die tatsächliche Vereinfachung des Wahlverfahrens steht noch aus. Wir haben hierzu über den DGB Vorschläge unterbreitet, z. B. zur Verlängerung der Fristen im zweistufigen Verfahren zwischen den zwei Wahlversammlungen auf 2 Wochen (aktuell: 1 Woche).  Leider wurde dies nicht aufgegriffen.

Das Mindestalter für das aktive Wahlrecht wird von 18 auf 16 herabgesetzt. Das heißt, dass künftig Beschäftigte schon ab dem Alter von 16 Jahren berechtigt sind, ihren Betriebsrat zu wählen. Bei der Wählbarkeit bleibt es wie bisher (18 Jahre).

Der Gesetzentwurf sieht eine deutliche Verbesserung des Kündigungsschutzes für Wahlinitiator*innen schon im Vorfeld vor. Das soll für Arbeitnehmer*innen gelten, die Vorbereitungen zur Errichtung eines Betriebsrats treffen und eine öffentlich beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt abgeben, dass sie die Absicht haben, einen Betriebsrat zu errichten.

Das sind gute Ansätze, aber wir wollen mehr:

Schutz vor außerordentlichen Kündigungen

einen nachwirkenden Kündigungsschutz für Einladende/Antragsteller*innen sowie die Wahlinitiator*innen

Schutz der Wahlinitiator*innen vor betriebsbedingter Kündigung

Schutz der Kandidat*innen für den Wahlvorstand, die nicht selbst Kandidat*innen zum Betriebsrat werden.

Zwar erhalten die Wahlinitiator*innen im Kabinettsentwurf einen Schutz vor personen- und verhaltensbedingten ordentlichen Kündigungen, aber der kollektive Kündigungsschutz nach dem Vorbild von § 103 Abs. 1 BetrVG für Einladende/Beantragende und für Wahlinitiator*innen vor außerordentlichen/fristlosen Kündigungen (nur mit Zustimmung des Betriebsrats oder ersatzweise des Arbeitsgerichts), der im Referentenentwurf noch vorgesehen war, wurde gestrichen.

 Anfechtungsmöglichkeiten von Wahlen werden dann eingeschränkt, wenn sie eher rechtsmissbräuchlich wirken: Eine Anfechtung der Wahl eines Betriebsrats durch einen Wahlberechtigten ist ausgeschlossen, wenn sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist und nicht zuvor ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Liste eingelegt wurde. Es sei denn, er wurde an der Einlegung des Einspruchs behindert.

Anfechtungen von Arbeitgeber*innen werden ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt sind, dass die Wählerliste unrichtig ist und die Unrichtigkeit nur auf dessen Angaben beruht.

Dies bietet Rechtssicherheit gerade in der ersten Zeit nach den Wahlen und ermöglicht einen konzentrierten Einstieg in die Betriebsratsarbeit.

Die Rechte der Mitbestimmung  von Betriebsräten bei Qualifizierungsmaßnahmen werden dadurch gestärkt, dass sich Unternehmen und Betriebsrat einigen müssen. Das ist in Zukunft ein weiterer Hebel, um das wichtige Thema Qualifizierung voranzutreiben. Verständigen sich Betriebsrat und Arbeitgeber*in nicht bei der Beratung über Maßnahmen, erfolgt eine Vermittlung über eine Einigungsstelle. Sie muss eine Einigung „versuchen“.

Aus unserer Sicht ein wichtiger erster Schritt, aber wir setzen uns für mehr ein:

Wir fordern ein erzwingbares Initiativrecht bei der Weiterbildung - gerade mit Blick auf die Herausforderungen der Zukunft (Digitalisierung, Strukturwandel, ökologische Transformation).

Wir befürchten eine Entwertung der Einigungsstelle, denn die Einigungsstelle entscheidet hier nicht verbindlich, sondern muss anders als sonst eine Einigung nur „versuchen“. Das kann sich insgesamt negativ auf die Einigungsstelle auswirken. Eine Einigungsstelle muss verbindliche Lösungen treffen dürfen.

 Gerade in KI-Themen ist die Einbeziehung von Sachverstand relevant, um eine Überprüfung der Algorithmen zu ermöglichen. Der Gesetzesentwurf formuliert, dass eine „Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung und einer frühzeitigen Einbindung der Betriebsräte das Vertrauen und die Akzeptanz der Beschäftigten bei der Einführung und Anwendung von KI stärken. Dies ist Voraussetzung für eine positive Haltung zu KI allgemein sowie für eine erfolgreiche Implementierung von KI-Anwendungen auf betrieblicher Ebene…“ Und wenn der BR zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von künstlicher Intelligenz beurteilen muss, gilt die Hinzuziehung einer*eines Sachverständigen als „erforderlich“ (Ergänzung in § 80 Abs. 3 BetrVG).

Gerade weil auch manchmal Arbeitgeber hier nicht aktiv in Richtung KI denken, wären härtere Mitbestimmungsrechte besser geeignet, um auch hier Betriebsräte zu unterstützen, Themen aktiv zu platzieren und durchzusetzen. Schade ist, dass das Recht zur Hinzuziehung von Sachverständigen sich auf KI beschränkt. Der Referentenentwurf des BMAS sah das noch für alle IT-Themen vor. Und nach wie vor fehlt ein Mitbestimmungsrecht bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten.

 Bei mobiler Arbeit gehen die Arbeitgeber teilweise davon aus, dass sie angewiesen werden kann. Betriebsräte werden außen vor gelassen. Viele Betriebsräte sehen sich ohne ein scharfes Schwert der Mitbestimmung, wenn die Themen Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung und Einführung technischer Einrichtungen nicht betroffen sind.

Der Gesetzentwurf ergänzt § 87 BetrVG um ein Mitbestimmungsrecht bei der „Ausgestaltung“ von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird. Damit ist erstmals ein Mitbestimmungsrecht zu mobiler Arbeit gesetzlich verankert. Das ist eine der wichtigsten Errungenschaften in diesem Gesetzgebungsverfahren. Damit entscheidet der Betriebsrat mit über das „Wie“ von mobiler Arbeit.

Zu einem Initiativrecht bzw. einem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht auch für die Einführung konnte sich der Gesetzgeber allerdings nicht durchringen.

Nach wie vor sind Präsenssitzungen von Betriebsratsgremien der Normalfall und sie sollten es aus unserer Sicht auch bleiben. Der Gesetzesentwurf ermöglicht jetzt aber unter bestimmten Voraussetzungen, Sitzungen und Beschlussfassungen des Betriebsrates ausnahmsweise per Video- oder Telefonkonferenz.  Voraussetzungen für die Ausnahmeregelung ist eine Geschäftsordnung und dass es keinen Widerspruch von mehr als einem Viertel der Mitglieder des Gremiums gibt. Bei Video- oder Telefonkonferenzen muss gewährleistet sein, dass Dritte vom Inhalt nicht Kenntnis nehmen können.

Grundsätzlich begrüßen wir, dass die Gremien frei entscheiden können. Es darf aber nicht dazu führen, dass Druck auf die Betriebsräte ausgeübt wird, auf Präsenzsitzungen zu verzichten.

Durch die vorgesehene Verantwortlichkeit des Arbeitgebers und eine Zusammenarbeit mit dem*der Arbeitgeber*in bestand die Befürchtung, dass der*die Datenschutzbeauftragte Einsicht in Entscheidungsprozesse des Betriebsrats erhält und damit die Unabhängigkeit des Betriebsrates gefährdet ist. Hier setzt en  Änderungsantrag von Union und SPD an: Der Datenschutzbeauftragte muss nun Verschwiegenheit auch gegenüber dem Arbeitgeber wahren, wenn ansonsten Rückschlüsse auf den Meinungsbildungsprozess des Betriebsrats möglich wären. Diese Ergänzung begrüßt die IG BCE.

Bei Arbeit zu Hause - unabhängig davon, ob als Home Office, Telearbeit oder vergleichbare andere Formen - soll der Unfallversicherungsschutz genauso gelten wie im Unternehmen. Und auch der Weg zur Kita oder Betreuung soll versichert sein, wenn er aus dem Home Office erfolgt. Dies soll im SGB VII ergänzt werden.

Seit der Anwendung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wird – entgegen feststehender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) darum gestritten, ob der Betriebsrat eine verantwortliche Stelle im Sinne der DSGVO ist. Wäre dies der Fall, würden ihn eigene Pflichten aus der DSGVO, wie die erforderliche Bestellung eines eigenen Datenschutzbeauftragten, treffen und der Betriebsrat könnte insbesondere auch in Haftung für etwaige Verstöße genommen werden. Angesichts seiner eigenen Vermögenslosigkeit erscheint diese Annahme absurd.

Im neu eingefügten § 79a BetrVG wird daher nun – in Übereinstimmung mit der Forderung des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften festgelegt, dass der Betriebsrat nicht selber Verantwortlicher für die Verarbeitung personenbezogener (Beschäftigten)Daten ist, sondern dass der Arbeitgeber die verantwortliche Stelle und der Betriebsrat nur „Teil der verantwortlichen Stelle“ ist. Es besteht aber eine gegenseitige Unterstützungspflicht von Betriebsrat und Arbeitgeber bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften. Außerdem ist der Datenschutzbeauftragte gegenüber dem Arbeitgeber zur Verschwiegenheit – wie nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) gegenüber Dritten über Informationen verpflichtet, die Rückschlüsse auf den Meinungsbildungsprozess des Betriebsrats zulassen.

Bei der Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) wird die in § 60 BetrVG enthaltenen Altersgrenze von 25 Jahre gestrichen. Dies spiegelt die Realität wieder, da immer mehr Auszubildende über 25 Jahre sind. Nach dieser Neuregelung können Auszubildende damit nun unabhängig vom Alter wählen und gewählt werden. Das stärkt die Teilhabe von Auszubildenden. 
Schön wäre gewesen, wenn die Übernahmeverpflichtung von § 78a BetrVG auch für dual Studierende eingeführt worden wäre.

 Eine Überarbeitung des BetrVG war überfällig. Gerade mit Blick auf Transformationsthemen ist eine Förderung von Mitbestimmung - und damit von Demokratie - im Betrieb entscheidend; auch für die Akzeptanz in den Belegschaften für die Umwälzungen, die anstehen.

Trotzdem greift der Entwurf an einigen Stellen zu kurz und Betriebsräte und auch die Gewerkschaften brauchen hier noch weitergehende Rechte. Ein Beispiel: Wir brauchen ein klarstellendes, ergänzendes, digitales Zutrittsrecht für uns als Gewerkschaften und ein echtes Initiativrecht bei dem Thema Weiterbildung.