Kunststoffverarbeitende Industrie

Eine Branche im Umbruch

Kunststoffe lassen sich aus unserem Alltag schon lange kaum mehr wegdenken. Für Pet-Flaschen, Lebensmittelverpackungen, medizinische Artikel, wie beispielsweise Handschuhe und Spritzen, sind sie unverzichtbar, aber auch in der Möbel-, Elektronik- oder Autoindustrie stellen sie einen wichtigen Bestandteil vieler Konsum- und Industrieprodukte dar. Die kunststoffverarbeitende Industrie fertigt damit nicht nur direkt für Endkunden, sondern produziert zudem eine Reihe Vorprodukte für andere Branchen.

Kunststoffgranulat
Foto: © AppleEyesStudio/Depositphotos.com

Die Branche erwirtschaftete 2019 in Deutschland einen Umsatz von 65,1 Milliarden Euro und hatte 336 000 Beschäftigte in rund 3000 Betrieben.

Der größte Anteil der deutschen Produktion (rund 31 Prozent) wurde für den Verpackungsbereich genutzt, ungefähr ein Viertel entfiel auf die Baubranche. Rund zehn Prozent der Produkte sind in die Automobil- und Fahrzeugbranche gewandert, gefolgt vom Elektronikbereich und der Landwirtschaft. Den Großteil der Umsätze verzeichnet die kunststoffverarbeitende Industrie im Inland, gefolgt von der Eurozone und dem Nicht-Euro-Ausland.

Digitalisierung und Nachhaltigkeit

Bereits heute befindet sich die Branche mitten im technologischen Umbruch. Egal ob beim Design, in der Produktion oder im Vertrieb ist digitale Technik im Einsatz. Zudem steht die kunststoffverarbeitende Industrie, die mit einem geschätzten Anteil am weltweiten Energieverbrauch von rund 4 Prozent zu einer besonders energieintensiven Branche zählt, unter einem hohen Druck, ihre CO2-Emissionen zu drücken – auch hier kann die digitale Technik helfen. Nicht nur, um Energie zu sparen, sondern auch, um die Menge an Abfallprodukten zu reduzieren. Besonders in Schwellenländern und stark wachsenden Volkswirtschaften stellt das Ausmaß von nicht wiederverwerteten Kunststoffprodukten ein wachsendes Problem dar, das einer Lösung bedarf. Denn Kunststoffe werden aufgrund ihrer positiven physischen Eigenschaften auch in Zukunft einen maßgeblichen Bestandteil unzähliger Produkte bilden.

Wie die Digitalisierung beeinflusst die Zunahme global vernetzter Lieferketten Entwicklungs- und Produktionsprozesse. Der Trend, die Produktion in neue Absatzmärkte, wie China und Osteuropa, auszulagern, hat die Industrie in den vergangenen Jahren geprägt und wird sich trotz teilweiser Rückverlagerungen aller Voraussicht nach fortsetzen. Zudem entsteht für deutsche Unternehmen der Kunststoffbranche im Angesicht rasant wachsender Konkurrenz aus China ein zunehmender Druck, den lokalen Markt in Europa federführend zu bedienen.

Im Zuge der Corona-Pandemie und der zeitweisen Verknappungen stark nachgefragter Güter hat auch die Diskussion um eine verstärkte Inlandsproduktion wieder an Fahrt gewonnen.

National und international setzen diverse Strategien und Entwicklungskonzepte, wie der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung oder der European Green Deal, Bedingungen und Richtlinien, die die kunststoffverarbeitende Industrie betreffen.

Rahmenbedingungen durch die EU

Die Kunststoffstrategie der EU gibt unter anderem vor, ab 2021 den Verkauf von Einwegartikeln aus Kunststoff zu verbieten und ab 2030 alle Kunststoffverpackungen recycelbar herzustellen. Außerdem befindet sich derzeit eine Vorlage zu einer Kunststoffsteuer in Arbeit, die noch in diesem Jahr greifen soll und gegenwärtig bereits kontrovers diskutiert wird.

Kunststoffe haben während der Corona-Pandemie auf verschiedenen Ebenen einen Imagewandel erfahren. Sie sind als Verpackungsmaterial im Bereich der medizinischen Versorgung von Schutzausrüstungen, als Stoff für Masken oder Behältnisse von Desinfektionsmitteln unentbehrlich. Umfragen und statistische Auswertungen zeigen, dass die Corona-Pandemie die Teilbranchen unterschiedlich trifft. Industrien, die stark nachgefragte Produkte in den Sektoren Lebensmittel, Pharmazeutika und Medikamente entwickeln und produzieren, stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen. Auf der anderen Seite beklagen etwa Automobilzulieferer starke Nachfrage- und Umsatzeinbrüche.

Die kunststoffverarbeitende Industrie sieht sich einem sich ausbreitenden Fachkräftemangel ausgesetzt. Freibleibende Ausbildungsplätze und das teils negativ wahrgenommene Image der Branchen in der jungen Bevölkerung stehen symptomatisch für eine recht geringe Attraktivität der angebotenen Ausbildungsberufe. Um diesem Trend zukünftig entgegenzuwirken, werben Branchenverbände bei Unternehmen für ein offensiveres Bildungsmarketing. Zudem könnte eine weitere Verbreitung des dualen Studiums für eine größere Attraktivität der Industrie als potenzieller Arbeitgeber für angehende Fachkräfte sorgen.

Weitere Informationen

Tarifrunde Papier 2019
Foto: © iStockphoto/Gabriela Schaufelberger
Branchenbericht Papier
Fit für die Transformation

Die deutsche Industrie befindet sich in einem anspruchsvollen Transformationsprozess. Digitalisierung und Klimaschutzziele setzen Betriebe unter Druck. Die Stiftung Arbeit und Umwelt der IG BCE beleuchtet in ihrer Reihe "Branchenausblick 2030+" Lage und Herausforderungen der Industriebranchen aus dem Organisationsbereich der IG BCE. Im ersten Teil: die papier und zellstofferzeugende Industrie.

Zukunft der Automobilindustrie
Foto: © iStockphoto/gorodenkoff
Automobilindustrie
Auf dem Weg ins Ungewisse

Die Transformation der wichtigsten deutschen Industriebranche ist in vollem Gange. Gleich von mehreren Seiten gerät das fein austarierte Geschäftsmodell und mit ihm die gesamte Wertschöpfungskette unter Druck. Die fünf großen Herausforderungen für die Branche und die Beschäftigten in der Zulieferindustrie — und was jetzt zu tun ist.